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Sonntag, 05. Mai 2024

Der Unterschied zwischen Klarheit und Konflikt

Warum es gut ist, beim Veranstaltungsdesign die Wirkung vorher abschätzen zu können

Mehr und mehr Kunden fragen mich mittlerweile konkret nach Veranstaltungsdesign. Was mir gut gefällt, denn da bin ich leidenschaftlich und finde, dass Veranstalter mit langweiligen Konferenzen oder Bürgerinformationen wirklich ihre Gastgeberpflichten verletzen. Dabei ist die größte Sorge auf Seiten der Veranstalter:innen oft, dass während der Veranstaltung ein Konflikt aufbrechen könnte. Umso glücklicher war ich letztens über die westfälische Stadt Greven, wo ich die Gelegenheit hatte, zu einem Konflikt einen „Bürgerdialog“ zu gestalten. Was es hierbei unbedingt braucht, ist Courage.

Das war die Herausforderung vor Ort: Der Stadtrat wird in Kürze entscheiden, ob die zentrale Rathausstraße zur Einbahnstraße werden soll. In einer kleineren Stadt, wo das Auto noch eine Selbstverständlichkeit ist, birgt das Sprengstoff. Und meistens haben solche Anliegen bereits eine längere (und damit schmerzvolle) Geschichte. Das war spätestens spürbar, als die über einhundert Bürger:innen an dem Abend den Raum füllten, viele angespannt, die Zwischenrufe deutlich ärgerlich.

Mein Ansatz war, das emotionsgeladene Thema Mobilität in einen größeren Kontext einzubetten, einige Fragen zur individuellen Reflexion anzubieten und dann die Bürger:innen zu bitten, sich aufzustellen: dafür oder dagegen? Damit würde der Konflikt offenbar. Hier hätten viele Kommunen abgebrochen: zu gefährlich, die Veranstaltung könnte eskalieren und aus dem Ruder laufen. Greven hat sich darauf eingelassen, und dies dank der Überzeugungskraft der jungen Stadtplanerin Theresa Rotthowe, die gern Dinge auch mal anders macht.

Was ist letztlich geschehen?

Die Gruppen, die sich nach der Reflexion zusammenstellten, waren viel ausgewogener, als es sich zunächst angedeutet hatte. Zur Überraschung vieler, denn der Schlagabtausch in den Leserbriefen und Facebook-Kommentaren hatten zuvor ein gänzlich anderes Bild vermittelt. Wir hatten eine Regel aufgestellt: Das Wurfmikrofon, dass die Teilnehmer:innen in der folgenden Austauschrunde selbstbestimmt weitergeben durften, sollte auf jeden Fall von Beitrag zu Beitrag in eine andere Gruppe wechseln. Und dadurch kam ein Gespräch zustande. Die Teilnehmer:innen hörten sich zu. Aus der Gruppe der Autobefürworter:innen kamen Wünsche, die Geschwindigkeit und die Verkehrsbelastung insgesamt zu reduzieren. Ein junger Teilnehmer aus der Pro-Einbahn-Fraktion fand viel Gehör mit seiner Position, den Autofahrern auch mal was zuzumuten. Insgesamt verließen die Bürger:innen die Veranstaltung deutlich friedlicher, als sie gekommen waren.

Warum hat es geklappt?

  • Sich ehrlich machen: Die Luft war raus in Greven. Die Planer hatten nicht mehr die Energie, sich beim Thema zu verkämpfen, auch nicht für die planerisch bessere Lösung. Der Bürgermeister, der zu Beginn den Ton setzte, konnte das sympathisch vermitteln. Keine Kampfrede, kein Spalten, kein Signal, dass hier etwas gewaltsam durchpaukt werden sollte.
  • Einen klaren Rahmen setzen: Die Bürger:innen sollten ihre Meinung sagen, gern auch ihren Unmut loswerden. Aber es war klar, das Ziel der Veranstaltung war ein Stimmungsbild, damit die Politik eine gute Entscheidung würde treffen können. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Weil niemand gewinnen oder verlieren würde an diesem Abend, stand weniger auf dem Spiel, und der Ton war gemäßigter.
  • Spielregeln setzen und durchhalten: Der Ablauf des Abends war: informieren – reflektieren – diskutieren. Den haben wir durchgehalten, obwohl zu Anfang viel Druck im Kessel war und einige lautstark einforderten, ihre Meinung zu einem frühen Zeitpunkt zu äußern. Am wichtigsten war jedoch die Aufstellung nach Gruppen, verbunden mit der Regel, dass das Mikrofon nicht in der Gruppe bleiben durfte. Dadurch wurde die Eskalation verhindert. Die Gruppen selbst waren um Ausgleich bemüht, weil natürlich niemand das Mikro zu den Wortführern werfen wollte. Ich musste nicht als Moderatorin rüde den Gesprächsfluss unterbrechen.
  • Für Bewegung sorgen: Nur den informatorischen Teil gab es sitzend in Stuhlreihen präsentiert. Zur Reflexion bewegten sich die Teilnehmer:innen an den Stellwänden mit den Fragen entlang. Die Diskussion fand im Stehen statt (und natürlich gab es Stühle für Menschen, die nicht gut lange stehen konnten). Das förderte den Austausch und half, starre Positionen aufzulösen. Ein Mikrofon, das man werfen darf und das dann auch mal hinfällt oder bei der falschen Person landet, sorgt für zusätzliche Leichtigkeit.

Raum, Bühne, Technik, Symbole, Catering, Akteure, Reihenfolge, Tonfall – im Eventdesign ist jedes Detail eine Intervention, die Konsequenzen hat. Das fängt bei der Anordnung der Stühle an und zieht sich durch jeden Programmpunkt. Gut, wenn man die Folgen einschätzen kann.

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