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Sonntag, 09. Februar 2020

Schule in die Zukunft begleiten

Eine Brennpunktschule macht sich auf den Weg, Kindern den Start ins Leben zu glätten

Bildung ist mir ein Anliegen, und ich habe einen Heidenrespekt davor, wenn Schulen - also Lehrer und pädagogische Fachkräfte - sich neben ihrem Alltag aufmachen, Strukturen zu verändern. Denn beim Thema Schule ist es wie beim Fußball: 80 Mio. Bundestrainer, und jeder hat eine Meinung.

Jetzt habe ich das Glück, eine dieser besonderen Schulen ein Stück weit begleiten zu dürfen: gut 400 Grundschulkinder, viele verschiedene Nationen, von der sozialen Durchmischung kein Premium-Standort. Die Schule hat sich zum Ziel gesetzt, Strukturen zu schaffen, die den Kindern Brüche im Schulalltag sowie im Kontakt mit Lehrern und Freunden ersparen. Das ist das wesentliche Kriterium, das den Kindern das Leben deutlich erleichtern würde, hat das Kollegium im Design-Thinking-Verfahren anhand von Personas erarbeitet:
- Da ist zum Beispiel Sarah, Flüchtlingsmädchen, die vor der Schule schon ihre jüngeren Geschwister versorgt hat, weil die traumatisierte Mutter es einfach nicht schafft.
- Oder Ali, Jüngster nach sechs Schwestern in einer Familie, die ihren Prinzen ordentlich verzieht, aber auch gepflegt vernachlässigt.
- Cindy, deren Vater im Gefängnis sitzt und deren Mutter mit der geistig behinderten Schwester schon so belastet ist, dass das Kind weitgehend selbst sehen muss, wo es bleibt.
- Aber da ist auch Moritz, gut gefördertes Kind einer bildungsgewohnten Familie, der den bisweilen ruppigen Umgang unter den Schülern von zu Hause gar nicht kennt, aber sehr klar hat, dass von ihm das Abitur erwartet wird.
Wie kann es überhaupt gelingen, so verschiedenen Kindern gerecht zu werden?

Wenn Gruppen in Workshops etwas Konkretes erarbeiten, bleiben die Grabenkämpfe großenteils außen vor. Aber man merkt dennoch, wer eher traditionellen Schulkonzepten anhängt und wer bereit ist, für ein besseres Morgen auch große Anstrengungen auf sich zu nehmen. Denn was sehr klar wird: Differenzierter Unterricht und passgenaues Arbeiten mit den Kindern kosten Kraft, und strukturelle Veränderung bedeutet einen erheblichen Aufwand - über Jahre.

Fast zwei Jahre hat sich das knapp 30-köpfige Kollegium nun mit der Schulentwicklung befasst. Nun muss eine Entscheidung fallen, und das ist noch einmal hart. Die Lehrkräfte und das pädagogische Personal selbst dürfen über ihre Zukunft entscheiden, und sie sind gut und gründlich vorbereitet.

Solche Arbeitsbedingungen sind für mich ein Traum: Wenn die Teilnehmer sich auf mich einlassen mögen, wenn es echten Willen zur Auseinandersetzung gibt, und wenn die Schulleitung Wert darauf legt, „dass alle Kollegen hier ihr sicheres Zuhause haben". Dann sind alle guten Voraussetzungen für Veränderung erfüllt.

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