Das Immunsystem ernst nehmen

Warum nur bleiben so viel Ansätze zur Innovation stecken? Peter Senge, renommierter Vordenker des organisationalen Lernens („Die fünfte Disziplin: Kunst und Praxis der lernenden Organisation"), spricht vom „kulturellen Immunsystem" eines Unternehmens, wenn Veränderung nicht nachhaltig wirkt. Und tatsächlich ist es ja oft so: Das Unternehmen macht sich auf den Weg, eine Veränderung einzuleiten. Es gibt einen Workshop, vielleicht noch Folgeveranstaltungen. Alle gehen mit leichtem Gemüt und hohen Erwartungen los - und dennoch versandet der Elan, und zurück bleiben frustrierte Mitarbeiter, die sich beim nächsten Mal nicht mehr ganz so einfach bewegen lassen.

Erst einmal sei festgehalten: Wer sich an die Veränderung von Verhalten und von eingespielten Prozessen im Unternehmen wagt, bohrt schon dicke Bretter. Denn Menschen und Organisationen sind auf Beharren ausgelegt.

Aber Peter Senge meint mit dem „kulturellen Immunsystem" noch etwas anderes: In jeder Organisation, in jedem Unternehmen gibt es Werte: lebendige, kraftvolle Glaubenssätze, die Einfluss auf das Handeln der Mitarbeiter nehmen (in diesem Fall nicht diejenigen, die als Absichtserklärungen im Leitbild formuliert sind). Wenn Veränderungsprozesse diese Wertebasis nicht berühren - weil die Werte unausgesprochen tabu sind, oder weil niemand die Zeit und Mühe investiert, sie zu heben - dann steht das Neue möglicherweise im Konflikt zum Etablierten. Und dann kann man zusehen, wie das Neue langsam an Lebenskraft einbüßt.

Als Senge 1990 die erste Ausgabe seines maßstabsetzenden Buches veröffentlichte, tickten die Uhren vermutlich auf vielen Gebieten noch langsamer. Dennoch: Zeit für die Besinnung auf Werte und für die Reflexion des Tuns sind gut investiert. Erst dann lassen sich auch etablierte Denkmodelle verändern und wird organisationales Lernen möglich. Wer den Wandel voranbringen möchte, sollte den Rahmen für einen entsprechenden Prozess nicht zu klein fassen.