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Freitag, 20. Dezember 2019

Was bringt die Zukunft?

Keine Ahnung. Aber wir können uns systematisch heranarbeiten.

„Future Thinking" finde ich gerade extrem spannend: Wie können wir heute gute Entscheidungen für die Zukunft treffen? Future Thinking hat in Neuseeland einen prominenten Platz im Ministerium von Premierministerin Jacinda Ardern. Auch Singapur unterhält eine staatliche Agentur, die sich ausschließlich der strategischen Gestaltung der Zukunft verschreibt. Sie versteht sich als Dienstleister für gute Entscheidungen der Regierung und setzt dabei auf Empathie-gestützte Methoden, die die Menschen in den Mittelpunkt stellen. Aaron Maniam, der ehemalige Leiter des Centre for Strategic Futures, erklärt das hier im Video.

Unternehmen und Organisationen versuchen hierzulande sehr oft, möglichst genaue Vorhersagen bezüglich der Zukunft zu treffen. Dazu werden beispielsweise Mengen an Daten generiert und fortgeschrieben. Aber wir wissen nur, was wir wissen. Wir kennen nur unseren kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit. Und wenn wir darauf unsere Vorhersagen gründen, können wir auch so richtig danebenliegen.

Für mich geht es weniger darum, Unsicherheit zu bekämpfen, als vielmehr einen guten Umgang mit Unsicherheit zu finden. Wenn wir in Möglichkeiten und Varianten denken, eröffnet das ein größeres Spektrum an Lösungen, und das Denken bleibt beweglich.
Das gelingt beispielsweise mit Hilfe von Geschichten. Storytelling ist ein mächtiges Werkzeug. Jeder Mensch sieht die Welt aus seinem oder ihrem sehr persönlichen Blickwinkel. Wenn viele unterschiedliche Menschen ihre Geschichten erzählen, entsteht aus der Vielfalt ein komplexes Zukunftsbild. Die Kombination unterschiedlicher Perspektiven reichert das eigene beschränkte Weltbild an und gibt Hinweise auf mögliche Entwicklungen, die wir sonst nicht im Blick hätten.

Was wäre, wenn...? In Geschichten kann ich mir das Unbekannte ausmalen und konkretisieren. Was ich mir besser vorstellen kann, macht weniger Angst. Ich kann aus dem Heute erzählen - aber auch aus der so genannten Futur-2-Perspektive. Dafür versetze ich mich in die fernere Zukunft und beschreibe aus sicherer Distanz Dinge, die in der näheren Zukunft liegen (und die es eigentlich zu gestalten gilt). Diese Methode wende ich oft an - in geschriebener und gezeichneter Form. Eine Umstrukturierung im Unternehmen, der Wechsel der Führungskraft, eine Branchenkrise, das Ende des Verbrennungsmotors - in solchen Fällen macht das Erzählen aus der Futur-2-Perspektive die Gestaltung der Veränderung leichter.

Storytelling schafft zudem Inklusion, wie Popul Bisht von der Decolonizing Futures Initiative in ihrem Talk vor der Europäischen Strategiekonferenz ESPAS beschreibt. Sie spricht generell nur von „futures" im Plural, aus Respekt vor nicht gesehenen Gruppen und Strömungen, die nur allzu oft übergangen werden, weil ihre Perspektive keine Berücksichtigung findet. Wir können davon lernen: Zukunft entsteht in unzähligen Entwürfen. Wenn wir die Geschichte unserer Zukünfte zu erzählen vermögen, können wir uns fortan darüber Gedanken machen, wie wir sie erreichen wollen. Mit den richtigen Weichenstellungen und mit Zuversicht.

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