Edelsteine polieren

Die Frau kommt zum Vorsprechtermin für unsere TEDxMünster-Konferenz. Sie hält ihren Vortrag, präsentiert ihr Thema flüssig und gut strukturiert. Als sie fertig ist, geht ihr Atem rasch. Sie ist offensichtlich angestrengt. Woran liegt's?

Offenbar liegt in diesem Fall unter dem vorgetragenen Thema noch ein weiteres, und zwar das eigentliche. Das habe ich in den TEDx-Jahren gelernt. Es bewerben sich Menschen mit einem Thema, das schon einmal spannend klingt. Oder an dem man aus irgendeinem Grund hängenbleibt, den man nicht so genau fassen kann. Die Kandidaten liefern einen ersten Entwurf für ihren Vortrag, vielleicht sogar schon ein Skript. Aber das ist es noch nicht. An dieser Stelle fängt die wirklich spannende Arbeit an.

Was liegt der Person wirklich am Herzen? Was will da ans Tageslicht? Die Arbeit mit den Speakern fordert Behutsamkeit und geht oft nur in kleinen Schritten. Will und kann der oder die Speakerin da mitgehen? Manchmal sind da gravierende Erfahrungen noch nicht verarbeitet, und die Zeit ist noch nicht reif. Die Präsentation auf der Bühne könnte für die Seelengesundheit problematisch werden. Die Verantwortung liegt auch bei uns als Kuratorium, bei mir als Verantwortliche für die Sprecher.

Wir haben schon beeindruckende Entwicklungen erlebt bei unseren Speakern: zum Beispiel Sarai Pahla, die 2017 über ihr Empfinden als Autistin berichtete, wo sie eigentlich nur die medizinische Diagnose thematisieren wollte. Oder in diesem Jahr Bridget Fonkeu, die erst - relativ sachlich - die Silent University beschrieb, aber letztlich anhand ihrer eigenen Geschichte ein flammendes Plädoyer hielt, den Kompetenzen geflüchteter Akademiker mehr Anerkennung zu geben (das Video ist noch in Produktion). Wenn diese kraftvollen Geschichten entstehen und die Speaker dabei wachsen, dann habe ich meinen Job gut gemacht.