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Montag, 05. Mai 2014

Kommunikation ist auch, was nicht gesagt wird

Wie Erwartungen den Verlauf der Kommunikation beeinflussen können. Beobachtungen aus dem Alltag mit Teenager.

Ich kam aus der Besprechung und fand sieben WhatsApp-Sprachmemos meiner Tochter auf dem Handy. Die schickt sie nur, wenn es a) wirklich kompliziert oder b) sehr dringend ist. Kurz gefasst ging es darum, dass sie sich verletzt wähnte und darum meinte, womöglich nicht zur Schule gehen zu können. Die erste Nachricht kam noch leichtfüßig daher, à la „bin verletzt, probiere jetzt die weiten Schuhe, mal sehen, ob’s geht“. Doch dann sank die Stimmung kontinuierlich über „finde sie nicht, weiß nicht wirklich, was ich jetzt tun soll“ bis zur übellaunigen Vorne-Verteidigung „kann’s jetzt auch nicht ändern, bleibe zu Hause“. Verwunderung meinerseits angesichts des rapiden Stimmungsumschwungs innerhalb der knappen Viertelstunde, in der die Memos versandt wurden. Was war geschehen?

Meine Tochter ist als Teenager eine typische Vertreterin der „Sofortness“-Generation. Meist ist sie den ganzen Tag online, jede Nachricht braucht eine möglichst umgehende Antwort. Die konnte sie in der beschriebenen Situation nicht bekommen, weshalb ihre Phantasie ans Laufen kam. Die Rahmenbedingungen sprachen nicht für die Befreiung vom Schulbesuch (Schulpflicht!, und wer in neuen Schuhen 18 km laufen kann am Maifeiertag, muss sich am nächsten Tag nicht wundern). Also würde wahrscheinlich die Mutter Dinge sagen wie: „Reiß dich zusammen, natürlich gehst du zur Schule.“ An diesem Erwartungshorizont orientierten sich zusehends die Nachrichten, die in immer kürzeren Abständen Zeugnis der schlechter werdenden Laune ablegten.

Fazit der Episode: Kommunikation ist auch das, was nie gesagt wurde.

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